Buckingham Palace, District Six – Richard Rive

10. Februar 2009 § Hinterlasse einen Kommentar

img_35121Und noch ein Buch, das quasi zu meinen Südafrika-Altlasten gehört: Dort ist es als Schullektüre recht beliebt, während ich dort war, hatte ich es allerdings nur angelesen.

Nachdem ich immer mal wieder erfolglos im Netz danach gesucht hatte – wenn man es irgendwie bestellen konnte, dann zu horrenden Preisen – habe ich endlich entdeckt, dass es nun eine Cornelsen-Ausgabe gibt. Zwar nicht so „schick“ wie eine normale Ausgabe, aber dennoch: Endlich konnte ich auch diese Lücke füllen.

Um was gehts? Für die Handlung muss ich ein klein wenig ausholen. In Kapstadt gab es bis in die 1960er Jahre hinein ein Stadtviertel namens District Six, in dem Menschen aller Hautfarben, aber vor allem Schwarze und Coloureds, zusammen lebten. Im Zuge des Group Areas Act wurde District Six zu einem weißen Bezirk erklärt und die Bewohner auf die Cape Flats vertrieben, wo sich auch heute noch die Townships der Stadt befinden. Das sollte zur Info zunächst genügen, der interessierte Leser klicke jeweils auf die Links zu weiteren Erklärungen.

Der District Six dieses Romans ist bevölkert von zahlreichen, zum teil skurrilen Personen: Mary, die Pastorentochter, betreibt das Bordell des Viertels, Zoot hat schon so mancher Autorität mit seinen kritischen Gedichten Angst eingejagt, Pretty-Boy trägt seinen Namen vollkommen zu recht und könnte jede Frau haben, liebt aber nur Moena Lelik („lelik“ ist das afrikaanse Wort für „hässlich“). Die „Jungle Boys“ werden so genannt, da sie jeden, der ihnen blöd kommt, mit Händen, Füßen und Zähnen aus dem Weg räumen, und Oubaas kann zwar wenig mehr als debil grinsen, hat aber mehr als einmal den entscheidenden Einfall.

Sie alle und noch viele mehr wohnen in direkter Nachbarschaft, einer Häuserreihe namens „Buckingham Palace“. Jeder kennt jeden, man zofft sich auch mal, aber wenn es hart auf hart kommt, halten alle im District zusammen. Als die Handlung im Jahre 1950 einsetzt, gilt es vor allem die kleinen Alltagsprobleme zu lösen, doch schon im zweiten Teil, der im Jahr 1960 spielt, wirft die Apartheid-Gesetzgebung ihre Schatten auf das Viertel, bis dann schließlich die Vertreibung aus dem Distric Six weitere zehn Jahre später unausweichlich ist: Nach und nach ziehen die Bewohner fort und werden die Häuser abgerissen.

Fazit: Das lange Warten hat sich für mich gelohnt, der erste (gute) Querlese-Eindruck von damals hat mich nicht getäuscht. Rive kann viel aus eigener Erfahrung berichten, schließlich wurde er im District Six geboren und wuchs dort auf. So steht jedem Teil auch ein – scheinbar? – autobiografischer Teil voran, aber dem ganzen Buch merkt man an, dass hier jemand erzählt, der dabei war. Vergnüglich ist die Lektüre natürlich nicht durchgehend, aber auch wenn die politischen Entwicklungen schon angedeutet werden: Es gibt noch viele lustige und skurrile Szenen. Rive schafft es in jedem Fall sehr gut, die Stimmungen – von dem Glück und der Geborgenheit bis zur Trostlosigkeit – dem Leser zu vermitteln und lebendig zu machen. Würde ich Sterne vergeben, was ich ja bekanntlich nicht tue (oft fällt mir diese Einteilung recht schwer, auch wenn ich sie selbst immer sehr hilfreich finde, wenn ich Rezensionen von anderen lese), würde ich hier eindeutige 5 Sterne vergeben – von 5.

ISBN: 3-06-031119-6

176 Seiten

Deutscher Titel: Buckingham Palast

Cornelsen Verlag

€9,25

Hinterlasse einen Kommentar

Was ist das?

Du liest momentan Buckingham Palace, District Six – Richard Rive auf Besser lesen.

Meta